Shakespeare lächelt vom Dichterhimmel
Thomas Terpetschnik als Borachio (Zweiter von links) und Helmut Huber (Zweiter von rechts) als Gerichtsdiener, umgeben von der Wache (links) und dem Gerichtsschreiber.FOTO ASCHL
Bejubelte Premiere von „Viel Lärm um nichts“ im Tam-Ost in Rosenheim
VON WALTHER PROKOP
Rosenheim – Kaum zu fassen: Da probt ein ambitioniertes Ensemble einen anspruchsvollen Klassiker und muss dann zwei Jahre auf die Premiere warten – Corona hatte zugeschlagen. Die Schauspieler blieben gottlob „bei der Stange“, sicher aus Leidenschaft und Begeisterung, wahrscheinlich auch motiviert von Regisseur Helmut Huber und last but not least dank des begnadeten Stückeschreibers William Shakespeare. Die Durststrecke ist überwunden, ein spielfreudiges, durch viel Zwischenapplaus angefeuertes Ensemble servierte zum Entzücken des Publikums in Rosenheims Tam-Ost eine witzige, temporeiche Premiere ohne Längen oder Untiefen. Am Schluss mehrere „Vorhänge“!
Liebe und Hass
wirbeln Staub auf
Liebe und Hass haben viel Staub aufgewirbelt und beinahe hätten die „Fake News“ des neidisch-intriganten Don Juan (Martin Thaller) aus der Komödie ein Trauerspiel gemacht. Doch wunderbarerweise waltet da auch der tumbe Gerichtsdiener Holzapfel (Helmut Huber) mit seinem ebenso dümmlichen Kollegen Schlehwein (Dagmar Deisenberger) ingeniös seines Amtes.
Auf groteske Weise enttarnt er die dunklen Machenschaften, wird dabei vom Diener des Don Juan, dem abgefeimten Borachio, als Esel beschimpft. Und da Holzapfel auf Genauigkeit hält, besteht er darauf, dass auch diese Sottise im Protokoll vermerkt wird: „Und vergesst nicht: Ich bin ein Esel!“
Diese Rolle scheint Shakespeare Helmut Huber auf den Leib geschrieben zu haben. Als würdiger „Mann der Justiz“ in einen Leoparden-Overall gekleidet, entfacht er eine unglaubliche Suada und outet sich mit verquer verwendeten Fremdwörtern als Virtuose der Halbbildung. Sein Auftritt vor der Pause war ein echter Knaller!
Ihm ebenbürtig, wenn auch auf infame Weise intelligenter, der Handlanger Don Juans, Borachio (Thomas Terpetschnig). Sein Wiener Idiom setzte der Schauspieler wirkungsvoll ein: Man konnte ihm nicht jegliche Sympathie versagen. Übrigens verkörperte er auch den zweiten Spießgesellen Don Juans, Conrad. Der blitzschnelle Rollenwechsel bot zusätzliches Amusement.
Wir nähern uns den Hauptpersonen: Die schöne Hero (Anja Raich) und die schnippisch-männerfeindliche Beatrice (Daniela Mayer), Tochter und Nichte Leonatos (Hermann Kunz), des Fürsten von Messina, kommen sehr unterschiedlich in Berührung mit zwei tapferen Kriegern und Edelleuten. Graf Claudio (Klaus Einsele) verliebt sich Hals über Kopf in Hero, während dessen Freund Benedict (Klaus Schöberl), ein bekennender Junggeselle, sich mit Beatrice in sarkastischem verbalen Schlagabtausch übt. Daniela Mayer und Klaus Schöberl als verbissene Kontrahenten ziehen alle Register ihres schauspielerischen Temperaments; Körpersprache, Mimik, Gesten, Sprechtechnik – alles stimmt zusammen, überwältigend! Gutmütig, verbindlich, auch herzig emotional agiert Claudio bei seiner Werbung um Hero. Diese, nicht nur tugendhaftes Fräulein, sondern ebenso kokettes Weibchen, entfaltet ihren unwiderstehlichen Charme und kann die kurzfristig anberaumte Hochzeit kaum erwarten.
Apropos Hochzeit! Wie und warum es schließlich zu einer zweimaligen Trauung kommt, und letztendlich gar noch zu einer Doppelhochzeit, müssen wir jetzt hier nicht umständlich erklären. Drei Optionen für Wissbegierige: Inhaltsangabe googeln, die ganze Komödie lesen, oder – ins Tam-Ost eilen! Es gibt ja noch mehr zu bewundern, etwa die Bühne von Antje Oehmichen! Alles, auch die Kostüme, sind auf Schwarz und Rot abgestimmt, rote Schnürsenkel, Einstecktuch, Schuhe, ein Stuhl. Der Rest ist schwarz. Umso aufregender der weiße Akzent von Heros üppigem Brautkleid. Spannung und Rhythmus entstehen durch die jeweilige Platzierung der Darsteller, ihren Standortwechsel, ihre Bewegungen.
Kleiner
Nachtrag
Kleiner Nachtrag: Als Donna Petra (bei Shakespeare: Don Pedro) verkörperte Astrid Langenegger die Prinzessin von Aragon, und Dagmar Deisenberger hatte schnell das Kostüm zu wechseln, um vom Schlehwein zum trauungsbefugten und schick gekleideten Mönch (!) zu mutieren. Gabi Tachakor war zu Beginn ein wichtiger Bote und schließlich auch eine ins Intrigenspiel eingeweihte treue Dienerin ihrer Herrin Hero. Hochnäsig gelangweilt, ja angeödet machte der ungenannte (weibliche) Gerichtsschreiber seinen Miniauftritt zum Kabinettstücklein.
Ein Ensemble, bei dem sich einer auf den anderen verlassen konnte und das zu manchen Glanzpunkten fähig war. Shakespeare dürfte geschmeichelt aus dem Dichterhimmel auf das Tam-Ost heruntergelächelt haben.