vom 27.09.2022 im OVB- von Rainer W. Janka
Absolute Ehrlichkeit ist explosiv
Im TAM-OST läuft auf der Bühne eine Glückwunschparty aus dem Ruder
Karg eingerichtet ist der Salon der linksliberalen Politikerin Janet, die eine Party feiert, weil sie Schatten-Gesundheitsministerin geworden ist. Eigentlich sollte es ein Londoner Stadthaus mit mehreren Räumen/Ebenen sein, aber die Bühne des TAM-OST ist zu klein dafür. Also behilft sich der Regisseur Alexander Zinn mit durch Lichtspots separierte Personen, während die übrigen als dunkel eingefrorene Standbilder stehen - ein Effekt, an den man sich als Zuschauer gewöhnen muss.
Alles politischen Themen diskutiert
"The Party" heißt dieses Stück, das Sally Potter zuerst als Filmdrehbuch und dann als Theaterstück geschrieben hat. "Party" heißt im Englischen sowohl "Party" als auch "Partei", weshalb auf dieser Glückwunsch-Party alle politisch relevanten Themen durchdiskutiert werden, wie das englische Gesundheitssystem, der Placebo-Effekt, die parlamentarische Demokratie, der Feminismus und natürlich die eheliche Treue.
Sieben Personen stehen auf der Bühne, besetzen die (nur) zwei Sessel, lehnen an der Wand, fläzen sich auf dem Boden oder stehen hinter der Anrichte. Auf die achte Person wird gewartet wie auf Godot, ihre Ankunft ist der finale Knalleffekt, Diese sieben Personen sind alle befreundet miteinander, frotzeln sich an, bewerfen sich mit schwarzhumorigen Angriffen, streiten schließlich heftig und auch eine Pistole spielt eine Rolle. Die eigentlich fröhliche Party gerät völlig aus dem Ruder.
Schuld daran ist ein Geständnis, dem andere folgen: Die Wahrheit, die absolute Ehrlichkeit wirkt explosiv. Der Inhalt dieser Geständnisse soll hier aus Spannungsgründen nicht verraten werden, aber sie sorgen für möglichen Witz und Situationskomik.
Die lässt anfangs noch auf sich warten - Alexander Zinn lässt seine Schauspieler, um die Ausgangssituation zu erklären, so sorgfältig prononciert sprechen und lange Sprechpausen einlegen, dass das komödiantische Tempo darunter leidet. Nach der Pause wird's etwas rasanter. Als Gastgeberin Janet stolziert Olivia Raclot mit Turmwuschelhaar (das später auch thematisiert wird) auf High Heels durch ihre Wohnung, telefoniert heimlich mit ihrem Geliebten, ist schamhaft-stolz auf ihre Karriere und behandelt ihren Ehemann Bill mit Verachtung. Der ist in Gestalt von Oliver Heinke ein waschechter Intellektueller von anfangs durch viele Whiskeys grundierter stoischer Ruhe und später grundtiefer, glaubwürdiger Verzweiflung.
Mirjam Bertagnolli glänzt als April, die politische Freundin von Janet: Sie reibt jedem in zynisch- messerscharfer Diktion gnadenlos seine Schwäche hin. Ihr Partner Gottfried ist ein "Lebenscoach" und esoterischer Heilpraktiker aus Deutschland, der von ihr durchgehend erniedrigt wird, am Ende aber in seiner Rolle wächst: Christian Swoboda spielt ihn mit bayerischen Tonfall und enervierend sanfter Sprechweise.
Ein dauerstreitendes lesbisches Paar spielen Ninette Sellmair mit strengem Herrenscheitel und weißem Herrenhemd, streng rational argumentierend, und Julia Plank mit viel Naivität, Liebessehnsucht sowie Mutterbrutverhalten: sie ist schwanger und das gleich mehrfach. Dass sie ständig kotzen muss, wird zum Running Gag.
Komödientempo kommt von selbst
Oliver Schmid ist der Banker Tom, der sich für seinen Beruf rechtfertigen muss. Emotional verwirrt taumelt er, sich die Haare raufend, durch die Wohnung - ein bisschen zu wirr. Alle reagieren richtig aufeinander, wenn auch noch etwas zu genau abwartend - wenn sie nicht mehr in ihrem Text stecken, sondern darüberstehen, kommt das Komödientempo von selbst.
Gelegenheit dazu haben alle noch bei vielen weiteren Aufführungen an den kommenden Wochenenden bis zum 22. Oktober.
Karten gibt es über die Homepage www.tam-ost.de oder im Büro des Theaters während der Öffnungszeiten (donnerstags 16 - 19 Uhr), beim Ticketzentrum Kroiss, Stollstraße 1, oder an der Abendkasse.