ovb, 05.11.2013, © Margrit Jacobi
(Zum Original: http://www.ovb-online.de/rosenheim/kultur/pride-3202665.html)
Für alle die Chance auf ein gemeinsames Glück
Arroganz und Stolz sind Deutungen des Wortes „Pride“, zugleich ist es ein gebräuchlicher Begriff in der Schwulen- und Lesbenszene. Mit „Pride“ titulierte der Autor Alexi Kaye Campbell sein mehrfach ausgezeichnetes Erstlingswerk, das 2008 am „Royal Court Theatre Upstairs“ in London uraufgeführt wurde. Regie führte dessen Intendant Dominic Cook, mit dem der offen homosexuelle Campbell liiert ist. „Pride“ besticht vor allem durch die Zeitsprünge der Handlung von 1958 bis 2008.
Repressalien und Ausgrenzungen, wie sie Homosexuelle Ende der 50er-Jahre erfuhren, und die Freiheiten für Schwule in der jetzigen Zeit werden im Leben von Betroffenen deutlich aufgezeigt. Regisseur Martin Schönacher hat das Stück aktuell für das Rosenheimer Theater TAM OST mit Darstellern aus dem Ensemble inszeniert. Was im Schneideraum beim Film geschieht, erleben die Zuschauer im teilweise abrupten Wechsel der Szenen auf der Bühne, da Handlungsabläufe in unterschiedlichen Zeiträumen aufeinanderfolgen.
Im Fokus vor gelungen reduzierter Kulisse stehen die vier Darsteller, von denen jeder Einzelne seine Rolle exzellent verkörpert. Wenn im ersten Bild die bildhübsche Karin Killy als Sylvia ihren Ehemann Philip (Tobias Huber) mit Oliver (Bernhard Burgstaller) bekannt macht, ist ihre Bühnenpräsenz augenfällig. Optisch völlig gegensätzlich, geben Tobias Huber den zurückhaltenden, eher kräftig gebauten Immobilienmakler Philip und Bernhard Burgstaller den zierlichen, extrovertierten, schwärmerischen Kinderbuchautor Oliver in großer Glaubwürdigkeit. Bereits in der nächsten Szene erlebt man Oliver mit einem als Nazi verkleideten Sexpartner (Hermann Neuner). In diesem Zeitsprung ist Oliver nicht mehr Herr seiner Sexsucht, die auch seine Paarbeziehung mit Philip zerstört hat.
Dass aber auch der fremde Partner mit Achtung behandelt werden will, bringt Hermann Neuner authentisch zum Ausdruck. Neuner zeichnet sich ebenso in den Rollen als Peter oder Arzt durch gelungene Verkörperung seiner Figuren aus. Qualvoll ist der Weg von Philip, den er aus Lüge, Verdrängung, Verstellung gehen muss, bis er sich voll zu seiner Homosexualität bekennen kann. Im Laufe des Spiels verändern sich die Personen. Fühlte sich Oliver vormals minderwertig und ekelerregend, so weiß er viele Jahre später, dass seine Liebe zu Philip heilig ist und gut. Oliver und Philip dürfen am Ende die Chance auf ein gemeinsames Glück wahrnehmen.
Karin Killy überzeugt in ihrem Spiel stets, ob als betrogene Ehefrau, als Schwulenkumpel oder endlich erfüllt Liebende. Autor, Regisseur und Schauspieler zeigen, dass Homosexuelle heute zwar frei von den Zwängen früherer Zeiten sind, dass aber Aids und Länder wie Russland mit einem Präsidenten, der Schwule wie eh und je bekämpft, Grenzen setzen. Zwar ist die Scham über das Anderssein heute meist überwunden, nicht überwunden sind aber die Ängste und Unsicherheiten. Und das Stück zeigt, dass alle glücklich sein wollen, ob homo- oder heterosexuell. Doch das Glück ist eine Feder…
Regisseur Martin Schönauer und seine Schauspieler, die das Stück getragen haben, durften am Ende den großen Applaus des Publikums verdient entgegennehmen.
Zum OVB-Interview von Katrin Hildebrand mit Martin Schönacher