Der bayerische Robin Hood
Rosenheim – Bei dem Titel könnte man zunächst an krachledernes Bauerntheater denken.
Das Ensemble des TAM OST unter der Regie von Martin Schönacher aber hat mit „Mein Bruder, der Räuber Kneißl“ ein stilles, bewegendes Stück auf die Bühne gebracht, das die Premierenbesucher bis zum Schluss gefangen nahm.
Erzählt wird die Geschichte des Mathias Kneißl, der auf der Schachenmühle bei Dachau in widrigen Verhältnissen aufwächst. Als sein Vater wegen Einbruchs in eine Kirche verhaftet und schwer verletzt wird, geht der junge Hiasl mit seinem Bruder selber auf Raubzüge. Nach einer Gefängnishaft versucht Kneißl, ein ehrliches Leben zu führen, wird aber wegen seines schlechten Rufs von seinem Meister entlassen. Erneut gerät er auf die schiefe Bahn. Von der Polizei verfolgt, der er immer wieder ein Schnippchen schlagen kann, wird Kneißl zum Volkshelden. Doch das Schicksal nimmt seinen Lauf.
Berührend war bereits die Anfangsszene, in der Cäcilia (Maria Malczan) hinter einem durchsichtigen Vorhang aus weißen Fäden den letzten Brief ihres Bruders aus dem Gefängnis vorliest.
Pankraz Schaberl war die Rolle des naiven, aufrechten, aber verführbaren jungen Burschen auf den Leib geschrieben. In der Schule faul und unwillig, schwänzt Hiasl die Sonntagsmesse, kümmert sich aber rührend um die kleine Schwester.
Hiasls Bruder Alois singt im Lied von Hunger und Verzweiflung: „Wer nichts zu essen hat, der muss klauen“. Die resolute Mutter, von Jutta Schmidt mit herber, desillusionierter Stimme perfekt verkörpert, erinnert sich in der Rückschau an die einzelnen Lebensstationen ihres Sohnes. Da ist die starke Szene, in der Hiasl vom verärgerten Vater (Hermann Neuner) wegen schlechter Schulnoten unbeholfen zur Rede gestellt wird, da spielt der Hiasl liebevoll mit der Schwester oder streitet sich mit seinem Bruder, da wird er vom Meister (Hermann Neuner) wegen seines handwerklichen Geschicks gelobt. Zu Herzen ging auch die zarte Liebesszene zwischen dem Hiasl und Mathilde (Maria Malczan).
Maximilian Miersch spielte glaubwürdig [Alois] den aufbrausenden Bruder von Mathias, der, ohne lange zu überlegen, gleich zum Gewehr greift.
Für Szenenapplaus sorgte Jutta Schmidt mit ängstlichem Gemecker, Gehstock und krummem Rücken in der Rolle der alten Frau.
Als Gendarm wirkte Hermann Neuner hölzern pflichtbewusst, als Holzleitner kalt und gerissen.
Das Lied „Einmal Räuber, immer Räuber“, bei dem die Schauspieler lautstark mit Schildern vor dem Räuberunwesen warnten, zeigte deutlich die vergeblichen Versuche Kneißls, wieder von der Gesellschaft aufgenommen zu werden.
Passend waren die Kostümierung der Protagonisten in grünen Kleidern, stimmig das Bühnenbild von Elaine Herrmann mit den in wechselnden Farben beleuchteten, aus dunklem Tann blickenden Augen. Der Brückenschlag vom Räuber Kneißl, der bereits damals als eine Art bayerischer Robin Hood idealisiert wurde, zum Plädoyer für einen toleranten und friedlichen Kontinent im „Europa Lied“ wirkte allerdings allzu bemüht und absichtsvoll.
Für seine überzeugende Leistung erhielt das Ensemble vom Publikum am Ende minutenlangen, verdienten Applaus.