LACHEN ERHÄLT DIE FREUNDSCHAFT
Mit der Premiere von Yasmina Rezas Komödie „Kunst“ trifft TAM OST ins Schwarze
Ins Schwarze? Eigentlich müsste es heißen „ins Weiße“! Denn die international längst erfolgreiche Komödie bezieht ja ihre theatralische Energie aus der Tatsache, dass Serge, ein Dermatologe, „wohlhabend“ aber nicht eigentlich reich, für satte
200 000 Franc ein Kunstwerk kauft, dessen weiße Fläche (verziert mit ebenfalls weißen Streifen) bei Freund Marc blankes Entsetzen und Unverständnis auslöst.
Mit einem unmissverständlichen und definitiv abwertenden Fäkalausdruck erbittert er Serge, der über den Banausen Marc überhaupt nicht lachen kann. Nach allen Regeln einer erprobten Alltags-Psychologie eskaliert die Situation und die langjährige Freundschaft gerät in Schieflage. Im Lauf der folgenden anderthalb Stunden öffnen sich ungeahnte Abgründe, man kämpft und verteidigt sich mit harten Bandagen. Und als noch der Dritte im Bunde, der „Weltversöhner“ Yvan ins Spiel kommt, wird die Lage sozusagen dreidimensional – allerdings zum lustvollen Amüsements, des mit Lachsalven nicht geizenden Publikums.
Yasmina Reza hat ihr Stück mit köstlichen Winkelzügen voll hinterhältiger Dialektik ausgestattet. Trotz der zündenden Dialoge, dem fast schon mörderischen verbalen Schlagabtausch der Protagonisten ist diese Komödie fein gewebt, mit Fäden aber, die das Ganze fest zusammenhalten. Das irrlichtert, knistert, explodiert, beruhigt sich, plötzlich schießt wieder Wut hoch, die Emotionen flackern böse. Himmel, wie soll das enden?!
Und welche begnadeten Akteure sollen dieses Prestissimo ablaufende „Gemetzel“ adäquat über die Rampe bringen! Ein Drei-Personen-Stück, das von jedem der Schauspieler das Äußerste an Präsenz, Eloquenz und Schlagfertigkeit fordert.
Klaus Schöberl, der coole und immer um Selbstbeherrschung bemühte Kunstsammler Serge, bestach allein schon durch seine kontrollierte Körpersprache:
Winzige Gesten, ein Hochziehen der Augenbrauen genügten, um dem Partner anzudeuten, wo’s lang geht und dem Publikum zu zeigen, was Sache ist. Großartig auch seine präzise, messerscharf-verständliche Diktion, der sein Freund Marc nicht gewachsen war und in seiner aufgewühlten Hilflosigkeit zu heftigen, lautstarken Attacken seine Zuflucht nahm. Klaus Einsele als Marc, ein wunderbar impulsiver Kontrast, wollte aus seinem Herzen keine Mördergrube machen. Nein, mit diesem verbissenen Choleriker, konnte man (noch) nicht lachen…
Herbert Prechtl als Yvan versuchte rührend mit seiner Sowohl-als-auch-Philosophie die Wogen zu glätten, doch geriet er schnell als gutmütiger, zu Tränen neigender Vermittler zwischen die Fronten. Er hatte selbst sein Päckchen zu tragen mit seinen ungeliebten Schwieger- und Stiefmüttern. Und für Serge und Marc rangiert auch seine Braut nur als ein hysterisches Weibsstück. Diese Gehässigkeiten gingen schon gehörig unter die Gürtellinie. Bestand da noch die geringste Aussicht auf ein Happyend?
Yasmina Reza erzählt, sie habe dieses Stück im Grunde selbst erlebt. Aber mit ihrem Bekannten, der auch ein weißes Gemälde erstanden hatte, konnte sie darüber lachen. Ihre Freundschaft bestand weiterhin. Nur soviel zum Schluss: Ja, es durfte gelacht werden – und auch die drei Freunde strebten endlich entspannt und lachend ins „Lyoneser“ Restaurant!
Helmut Huber führte mit leichter Hand Regie, beschränkte das Dekor auf einen schwarz gehaltenen Raum, der für verschiedene Schauplätze taugte. Einziger Farbklecks das rote Sofa, auf dem sich Yvan ausweinen durfte. Und wenn man „Weiß“ als Farbe nimmt, so konnte dieses sündteure Corpus delicti auch noch als farbiger Akzent gelten…
Nicht enden wollender Jubel des entzückten Publikums über das Stück, die drei „Ausnahme-Schauspieler“(wagen wir dieses Wort!) und die Regie, die auf subtile Feinheiten achtete und ohne grobe Effekte auskam.
Walther Prokop