Frage: Was passiert, wenn man den zehnjährigen Johann Wolfgang von Goethe ins Puppenspiel lässt? Antwort: Jede folgende Generation bekommt „Faust“ nicht mehr aus Ohren, Augen und Sinn.
Um 1759 beeindrucken landesweit Marionetten mit dem Lebensdrama „The Tragical History Of The Life And Death Of Doctor Faustus“ von Christopher Marlowe. Dieser Keimzelle für Goethes Urfaust entspringt sein lebenslanges geistiges Ringen in Faust I und II um die Menschheitsthemen: Wissen, Gewissen, Macht, Glaube und Liebe. In Faust I nun wetten Gott und Teufel miteinander, und so ist alles möglich, alles erlaubt.
Unter der Regie von Stefan Vincent Schmidt lockt ein weiblicher Mephisto schlagfertig und hintertrieben mit Hexentrank und schönem Weib, mit Hinterlist und Schmeichelei. Trickreich spinnt er seine Fäden: ein Faust glüht vor Lust, das Gretchen opfert ihren Trieben fast alles – die Mutter, den eigenen Bruder und … ihren Glauben? Frau Marthe will gar den Teufel selbst verführen.
Muss man Faust sehen? Diesen Faust will man sehen: spritzig, tiefsinnig, prall gefüllt mit Leidenschaften verführt er Auge, Ohr und Geist.
Lassen Sie sich diesen feinsinnigen Terrorakt eines weiblichen Mephisto gegen den Himmel entgehen?
Schauspieler
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braune-susanne
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fesl-doris
fuchs-florian
heimrath-toni
herrberg-sabine
hollweg-dorian
lueders-klaus
mayer-daniela
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schoeberl-klaus
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Kritik
ovb, 2015, von Margrit Jacobi
Mit Eleganz und Verführungskraft
Dieser Mephisto besitzt eine Verführungskraft, einen boshaften Charme und schneidenden Sarkasmus, wie er passender kaum hätte sein können. Die Rolle des Teufels in Goethes „Faust I“ hat Regisseur Stefan Vincent Schmidt mit Sabine Herrberg einer Frau gegeben, deren Verwandlungsfähigkeit, Eleganz und schauspielerische Präsenz das Publikum bis zum Schluss faszinierten. Mit Goethes berühmter Tragödie feierte das Ensemble des Theaters am Markt eine umjubelte Première.
Naturgemäß mussten im Vergleich zu Mephisto die anderen Protagonisten ein wenig abfallen, übt doch das Böse auf den Zuschauer immer wieder eine unwiderstehliche Anziehung aus. Bereits im „Prolog im Himmel“ wirkte die Stimme des Herrn aus dem Off im Vergleich zu Sabine Herrbergs geistreichen Sottisen ein wenig matt und steril. Die von Christian Domnick gesprochene „Zueignung“ mit bewusst gewählten rhetorischen Pausen wirkte etwas spröde, das „Vorspiel auf dem Theater“ hingegen witzig und lebendig. Fausts großer Monolog im Studierzimmer, in dem Klaus Schöberl als Gelehrter am Erkenntniswert der Wissenschaft zweifelt, fehlte am Anfang das Beklemmende, Ausweglose. Schöberl hätte da durchaus aufwühlender, eindringlicher sprechen und tiefer menschliche Abgründe ausloten können. Ergreifender war der „Osterspaziergang“, als Faust seinem Leben ein Ende setzen will und plötzlich eine erlösende Musik erklingt.
Humoristisch wirkte das kläffende Pudelknäuel, aus dem sich alsbald Mephisto zu erkennen gab. Wie Faust von Mephisto umgarnt und umschmeichelt wird und schließlich beide miteinander die Wette eingehen, war stark gespielt. Von Mephisto an der Nase herumgeführt, spielte der schlaksige Dorian Hollweg überzeugend den ahnungslosen Schüler, der dem satirischen Rundumschlag Mephistos gegen den Wissenschaftsbetrieb hilflos ausgeliefert ist. Schade, dass „Auerbachs Keller“ mit den besoffen lallenden Studenten Frosch, Brandner und Siebel (Toni Heimrath, Alexander Schoenhoff und Florian Fuchs), die extra Szenenapplaus erhielten, verkürzt war. Mit der Hexenküche aber landete der Regisseur einen Coup. Daniela Mayer als Hexe braute zum Vergnügen der Zuschauer theatralisch effektvoll ein grünlich schäumendes Gesöff zusammen, das Faust auch tatsächlich hinunterkippte.
Mit Perücke und Schminke verjüngt, war Faust rasch reif für die Reize Gretchens. Jutta Schmidt verkörperte das zarte Geschöpf in einer gelungenen Mischung aus Naivität und Treuherzigkeit. Rührend sang sie das Lied vom „König in Thule“, posierte arglos mit dem gefundenen Schmuck und stellte voller Unschuld die berühmte Gretchenfrage. Susanne Braune spielte überzeugend die scheinheilige Nachbarin Marthe Schwerdtlein, Florian Fuchs Gretchens Bruder Valentin, Pegah Meggendorfer und Katharina Bacher die beiden anmutigen Mädchen. Erschütternd war schließlich die Kerkerszene mit dem armen Gretchen, das von Schuldgefühlen gequält wird. Geschickt agierten die Schauspieler zwischen verschiebbaren schwarzen Trennwänden. Eine riesige rote Spitze, die den Bühnenraum keilartig in zwei Hälften teilte, ja zu durchbohren schien, fungierte mal als Sitzgelegenheit, mal als Liegefläche, als Hindernis oder als Schrank. Die Installationen religiöser Symbole zu Beginn symbolisierten sinnfällig die Weltreligionen. Einzelne dramatische Szenen wurden verstärkt durch schrill-dissonante Streicherklänge. Die Kostümierung der Protagonisten war schlicht und wirkungsvoll, toll schließlich die Idee, dass Mephisto einen hochhackigen roten Schuh trug, der wie ein Klumpfuß wirkte.
Für die fesselnde Inszenierung erhielten Regisseur und Ensemble vom Premierenpublikum im ausverkauften Theater lang anhaltenden Applaus.
Donnerstags von 16 – 19 Uhr ist Frau Gabi Tachakor für Sie da
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