OVB vom 29.04.2009, Kritik Georg Füchtner
Vergnügliche Verwirrung
Kaum zu glauben, dass Goethe erst 19 Jahre alt war, als er mit «Die Mitschuldigen» ein turbulentes Theaterstück schuf, das bereits eine große sprachliche Kunstfertigkeit aufweist und dessen Witz und Leichtigkeit verblüfft.
Auf Anregung der Goethe-Gesellschaft Rosenheim spielte das Ensemble des Theater am Markt Goethes 1777 in Weimar uraufgeführtes Frühwerk in einer Inszenierung von Stefan Vincent Schmidt. Stimmiger, lebendiger hätten die einzelnen Rollen nicht besetzt werden können. Alcest (Peter Schrank) verkörperte hervorragend den smarten, wortgewandten Verführer, der zu seinem dem Trunk verfallenen Rivalen Söller (Wolfdietrich Fehler) ideal kontrastierte. Söllers linkische Naivität, etwa in der Szene, als er Alcest und Sophie unfreiwillig belauscht, rief im Publikum große Heiterkeit hervor. Mit einer Clownsnase im Gesicht und mit schalkhaftem Spott durchs Publikum hüpfend, erinnerte er ein wenig an Mephisto.
Sophie (Jutta Schmidt), Söllers junge Frau, beherrschte gekonnt alle Gefühlsregungen von matter, entsagungsvoller Verzweiflung bis zu stürmischer Leidenschaft. Sie sprach nur am Anfang ein bisschen zu schrill. Ihr Vater (Hermann Hiemer), stets auf der Suche nach dem versiegelten Brief, amüsierte die Zuschauer immer wieder mit seiner fahrig-penetranten Neugier. Die gegenseitigen Verdächtigungen der Protagonisten wegen der gestohlenen Brieftasche sorgten rasch für Situationskomik und vergnügliche Verwirrung.
Stefan Vincent Schmidt gelang eine zeitgemäße, temporeiche Inszenierung. Das karge Bühnenbild mit den vier getrennten Holzwänden, zwischen denen die Akteure rasch hervortreten und im Dämmerlicht wieder verschwinden konnten, bildete für die Handlung eine zweckmäßige Kulisse. Die Figuren waren zwar typisiert, wirkten mit allen ihren menschlichen Merkwürdigkeiten dennoch wirklichkeitsgetreu. Goethes Kunstsprache in gereimten Alexandrinern aus dem Munde einfacher Wirtsleute bot nicht selten Anlass zum Schmunzeln.
Nicht ganz klar war der Einfall mit dem zu spät kommenden Söller, der barsch eingewiesen wurde, witzig aktualisiert hingegen die Szene mit dem Wirt, der Bildzeitung liest, überraschend der von Schmidt gewählte Schluss. Sicher wäre Goethe mit der klug und knapp komponierten, locker-leichten Umsetzung seines Theaterstücks zufrieden gewesen. Das Premierenpublikum zollte Regie und Schauspielern jedenfalls lang anhaltenden, verdienten Applaus.
Kritik Echo, von Margrit Jacobi
Von der Mitschuld
Er liebte die «Farce» und hat auf jeden Fall auch den Zuschauern viel Amüsement bereiten wollen: Johann Wolfgang von Goethe schrieb 1769 «Die Mitschuldigen», ein dreiaktiges Stück mit Witz und Pikanterie in sechsfüßigen, gereimten jambischen Versen, die sich aus der klassischen französischen Literatur entwickelten. Goethe selbst spielte neun Jahre später den Alcest, einen Beau und Frauenliebhaber. Es ist ihm sicher wohl gelungen!
Der Regisseur Stefan Vincent Schmidt inszenierte aktuell das frühe Lustspiel des Dichterfürsten im Theater am Markt in Rosenheim. Vier rückwandige Bühnenelemente erlauben gekonntes Auf- und Abtreten der Akteure, ein gelungener Ersatz für das übliche Tür auf- Tür zu- Spiel!
Wenn zu Beginn der hoch gewachsene Hermann Hiemer als Wirt lauthals seinen Unmut über den ungeliebten, stinkfaulen Schwiegersohn Söller lauthals kund tut, darf sich Wolfdietrich Fehler in der Rolle dieses Schmarotzers unbeeindruckt am Bühnenrand lümmeln.
Für Sophie, seine Frau und des Wirtes Tochter ist so einer gewiss kein aufregender Gemahl und Jutta Schmidt flirtet sehr gekonnt ins Publikum, fragt lockend : «Ein Mann?»
Doch schon findet sich ein gar besonders hübsches Exemplar dieser Gattung. Alcest, ein früherer Verehrer ist wieder aufgetaucht und höchst interessiert an der ehemaligen Gespielin: Peter Schrank, ausgestattet mit allen Attributen eines Frauenlieblings, komplettiert so das Quartett aufs Beste.
Das heimliche Kosen und Herzen beider aber, das Söller arg missfällt, hat jedoch bald ein jähes Ende. Im Dunkeln schleicht dieser und jener über die Bühne.
Einer sucht einen versiegelten Brief, der andere rachsüchtig das Geld des Rivalen. Temporeich und witzig gefällt diese Inszenierung und das Verwirrspiel aller Darsteller in stimmigen Kostümen.
Wolfdietrich Fehler gerät als sich gehörnt fühlender Ehemann gekonnt in Rage, Hermann Hiemer verleiht dem schlitzohrigen Charakter des Wirts authentisch Ausdruck, Peter Schrank genießt sichtlich die Rolle des Alcest und Jutta Schmidt als Sophie beweist gutes Gespür für die verschiedenen Facetten des echten Weibchens.
Würde sie bei den nächsten Aufführungen auch noch vernehmlicher artikulieren, blieben keine Wünsche offen.
Das Publikum hatte seinen Spaß an einer stringenten Inszenierung und belohnte den Regisseur und seine Schauspieler mit reichlich Applaus.