Es herrscht das reinste Chaos: Das Ensemble eines Tourneetheaters steht mit der Komödie „Nackte Tatsachen“ am letzten Abend vor dem Tag der Première…
Bei der laufenden Generalprobe liegen nicht nur beim Regisseur die Nerven blank, denn rein gar nichts funktioniert!
Die Schauspieler verstehen das Stück nicht, sind textunsicher, verpassen Auf- und Abgänge und auch der Umgang mit den Requisiten erweist sich als unlösbares Problem,…
Wie soll die Truppe die Première da noch glimpflich meistern? Und selbst wenn sie es doch noch schafft, wie gehts dann weiter? Denn das Stück soll ja schließlich auf Tournee gehen…!?
Die Generalprobe gerät also zum echten Nervenspiel. Und als wäre das nicht schon Aufregung genug, menschelt es auch hinter den Kulissen gewaltig!
Die Erfolgskomödie „Der nackte Wahnsinn”, im Original „Noises Off!” von Michael Frayn 1982 veröffentlicht, ist ein wahrlich rasantes Stück Theaterspaß für alle, die gerne lachen und insgeheim immer schon mal „Mäuschen” hinter der Bühne spielen wollten.
Die Idee hierzu kam Frayn 1970, während er hinter den Kulissen eine Theaterprobe beobachtete.
Es dauerte wohl nicht lange, bis er entdeckt hatte, dass hinter der Bühne mindestens genauso quirlige, lustige und dramatische Dinge passieren wie auf derselben. Und das, so wird er sich gedacht haben, DAS muss das Publikum auch zu sehen bekommen!
Das vorhergehende Stück im Rosenheimer TAM OST war eine klassische Komödie voller Feinsinn, nämlich „Amphitryon“ von Heinrich von Kleist. Das jetzige Stück ist die reinste Anarchie. Der erste Akt spielt auf der Bühne und ist das beginnende Chaos, der zweite spielt hinter der Bühne und ist das trotzdem funktionierende Chaos, der dritte spielt wieder auf der Bühne und ist das pure Chaos.
„Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayn ist ein wunderbar konstruiertes, immertürenknallendes Boulevardstück voll blühendem Unsinn, die sinnfreie Dekonstruktion einer Theaterlogik, ein Stück im Stück oder besser – ein Stück hinter dem Stück: Schauspieler spielen ein Stück, das sie nicht verstehen, dessen Text sie noch nicht können und bei dem die „wirklichen“ Liebeskonflikte zwischen den Schauspielern (der „Regisseur“ hat Amouren gleich mit zwei Schauspielerinnen gleichzeitig) das Funktionieren des gespielten Stücks (fast) verhindern. Schauspieler spielen Schauspieler, die mal schauspielern und dann plötzlich wieder aufhören zu schauspielern, auf der ersten Ebene aber ja doch schauspielern.
Es ist eine Nonsense-Begegnung der dritten Art: Warum tragen einige Figuren des Stücks ständig eine Tasche und eine Schachtel mit sich? Keiner weiß es, auch der „Regisseur“ nicht. Eine außerordentlich wichtige Rolle spielt ein Teller mit Sardinen, der mal verschwindet, mal doppelt da ist und auf dem am Ende alle ausrutschen.
Viele Figuren verlieren die Hosen, sind in dem Haus, in dem sie eigentlich nicht sein dürften, und verschwinden schnell durch eine der vielen Türen, der Einbrecher kommt immer zu spät und am Ende sogar dreifach.
Eigentlich ist die Bühne des TAM OST viel zu klein für den Raum mit acht Türen samt Fenster. Aber die Bühnenbauer Stephan Bertagnolli und die Schreinerboys haben das Unmögliche möglich gemacht und eine Bühne samt Fenster und Schräge gebaut, die vor allem alles aushält und auch von hinten stabil ist, denn die Zuschauer sitzen ja im zweiten Akt hinter der Bühne. Die Regisseurin Jutta Schmidt hat allen Schauspielern gehörig Tempo eingebläut, das im zweiten Akt kräftig Fahrt aufnimmt und im dritten Akt im wahrsten Sinne halsbrecherisch wird. Auch das präzise Schnellsprechen gelingt (fast) allen.
Als in Sardinen verliebtes Hausmädchen schlurft und torkelt Silvia Hofmann über die Bühne, die Regieassistentin Poppy (Monique Nägele) hat anfangs Schlafdefizit, rettet aber immer die Aufführungen, der Hausbesitzer (perfekt schnellsprechend: Thomas Terpetschnig) hält immer sein Schnurrbärtchen und nervt den Regisseur mit Verständnisfragen, vergeblich sucht er ein Liebes-Plätzchen mit seiner Frau (schnell und präzise: Dagmar Deisenberger) ebenso wie der als Schauspieler nicht stotternde Gary (mit fränkisch-schnellem Zungenschlag: Herman Hager) mit seiner immer die Augenlinsen verlierenden Brooke (virtuos wechselnd zwischen Schauspielerin Brooke und „Schauspielerin Vicky“: Mirjam Bertagnolli). Herbert Prechtl spielt, anfangs stoisch, später intensiv und genau, den dauerbetrunkenen Selsdon, der als Einbrecher immer zu spät einbricht, und Alexander Schoenhoff setzt als dauergenervter, immer kurz vor dem vulkanischen Zornausbruch stehender Regisseur mit schneidender Diktion punktgenau seine gezielten Beleidigungen.
Wichtiger aber als die Summe der Einzelleistungen ist, dass das gesamte Ensemble gekonnt miteinander spielt, dass die Choreografie des Stürzens, Türenaufgehens, Türklinkenabbrechens, Sardinentellerverschwindens und Hosenrutschens funktioniert und die temporeichen Dialoge präzise wie ein Reißverschluss ineinandergreifen. Und wirklich klappt alles wie am Schnürchen, alles ist ein Heidenspaß, schallendes Ablachen ist garantiert, ebenso wie Amüsieren auf höherem Blödsinns-Niveau – das letzte Wort haben die Sardinen.
Donnerstags von 16 – 19 Uhr ist Frau Gabi Tachakor für Sie da
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