Was wäre, wenn Jesus heute aufträte? Dieser immer faszinierenden Frage hat der große russische Dichter Fjodr Dostojewski in seinem Roman „Die Brüder Karamasow“ ein Kapitel gewidmet. In einer Phantasie lässt er Jesus zur Zeit der spanischen Inquisition unter die Menschen zurückkehren.
Er wird von allen erkannt. Aber der Großinquisitor greift ihn auf. Jesus soll auf den Scheiterhaufen. Um Mitternacht besucht ihn der mächtige Herr der Inquisition zum Verhör und erklärt ihm, dass er kein Recht habe, auf die Erde zurück zu kommen und die Jahrtausende alte Ordnung der Kirche zu stören.
Jesus habe zu seiner Zeit bereits alles gesagt, argumentiert der Großinquisitor, er habe seine Kirche allein gelassen. Nun müsse die Kirche die Menschen unter Kontrolle halten, da sie nicht fähig seien, in Freiheit zu leben, denn die läge nicht in ihrer Natur. Um Chaos zu verhindern, müssten Menschen wie eine Herde Schafe geführt werden.
Der Großinquisitor verteidigt mit der Kirche auch alle weltliche Macht gegen den Anspruch Jesu nach Wahrheit und Freiheit. Und was tut Jesus?
Helmut Huber hat die Anklage des Großinquisitors als spannendes Solostück bearbeitet, das neben der religiösen eine deutliche politische Dimension in der Frage hat, ob die Freiheit des Glaubens eine moralische Überforderung des einzelnen Menschen sei.
Schauspieler
huber-helmut
schoeberl-klaus
Kritik
ovb 11.2011, von Margrit Jacobi
Beklemmende Düsternis
Der Raum ist düster und wirkt hermetisch abgeschlossen. Auf einem Holzstuhl sitzt ein hagerer Mann in einer Mönchskutte, sein Blick ist streng, forschend und unerbittlich. Der Scheinwerfer taucht die Gestalt in ein kaltes Licht und erzeugt an der Wand unheimliche Schattenspiele. Es ist der Kardinal Großinquisitor. In einem erschütternden Monolog klagt er Jesus an, der auf die Erde herabgestiegen ist und den er nun gefangen genommen hat.
Unter der Regie von Helmut Huber brachte das Ensemble des Theaters am Markt die Fantasie „Der Großinquisitor“ auf die Bühne, deren Vorlage das gleichmamige Kapitel aus Dostojewskis Roman „Die Brüder Karamasow“ bildete.
Klaus Schöberl in der Rolle des Großinquisitors war eine Idealbesetzung. In einem fast einstündigen, beklemmenden Monolog beherrscht Schöberl nicht nur perfekt den anspruchsvollen Text, sondern verkörperte den greisen Großinquisitor auch derart überzeugend, dass im Publikum von der ersten Minute an gebanntes Schweigen herrschte. Bald mit bitterer Häme, bald verzweifelt aggressiv, oft leise flüsternd klagt er Jesus an, fragt ihn, warum er auf die Erde gekommen sei, und droht ihm mit Verbrennung. Jesus aber schweigt. Jesus, so der Großinquisitor, habe den Menschen die Freiheit gegeben, sich für Gut und Böse zu entscheiden. Doch diese Freiheit überfordere die Menschen. Es sei besser, den Menschen anstelle der Freiheit Brot zu geben und ihnen die Verantwortung für ihr Tun abzunehmen. „Keine Wissenschaft kann die Menschen sättigen, solange sie frei bleiben“. Die Schwachen und Ohnmächtigen, denen man die „qualvollsten Geheimnisse des Gewissens“ abnehmen wolle, müssten geführt werden wie eine Herde.
Oft veränderte Schöberl Stimme, Mimik und Gestik, sprach leise einschmeichelnd, nicht selten schneidend scharf und gefühlskalt, griff mit den Händen in die Luft und streckte die Arme angewidert von sich. Mal zog er mit schmerzverzerrtem Gesicht den Stuhl hinter sich her, mal schritt er gebieterisch an den Sitzreihen des Publikums entlang. Nach seinen Reflexionen, die vor dem hartnäckig-beredten Schweigen Jesu zunehmend Selbstzweifel verrieten, setzte er immer wieder geschickt rhetorische Pausen.
Eine gute Idee des Regisseurs war die Einführung der Fantasie durch Helmut Huber. Seine lebendige Schilderung des historischen Hintergrunds, der Erscheinung Jesu und seiner Wunderwerke, etwa der packend beschriebenen Erweckung des toten Mädchens, bereitete das Publikum dramaturgisch geschickt auf den Auftritt des Großinquisitors vor. Zur Szene im Kerker bildete sie zudem einen ergreifenden Kontrast. Takte aus Mozarts Requiem und ein auf die schwarze Wand schemenhaft projiziertes Kreuz betonten zusätzlich die Düsternis des Geschehens. Für die fesselnde Première der Adaption von Dostojewskis „Großinquisitor“ erhielt das Ensemble am Ende lang anhaltenden, begeisterten Beifall.
Donnerstags von 16 – 19 Uhr ist Frau Gabi Tachakor für Sie da
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